Die Stärke des Rückzugs: Eine Pause ist kein Zeichen von Schwäche
Warum das Zurücknehmen manchmal der klügste Zug ist
Sie haben das sicher schon einmal gehört: „Es ist nicht immer der schnellste, der das Rennen gewinnt, sondern der, der aushält.“ Und in einer Welt, in der Spitzenleistung und Wettbewerb den Ton angeben, scheint dieser Spruch kaum zutreffend zu sein. Doch die Wahrheit sieht oft anders aus.
Das Ende eines Rennens, das nie hätte stattfinden sollen
Die 2023 CrossFit Games Saison ist voller Überraschungen, aber eine übertraf alle anderen: Mal O’Brien, eine junge Athletin, die in den letzten Jahren die CrossFit-Szene dominiert hatte, kündigte an, dass sie nicht im Halbfinale antreten würde. In einer emotionalen Botschaft auf Instagram erklärte sie ihren Rückzug aus dem Wettbewerb mit den Worten: „Sometimes, we face personal challenges that demand our attention and care. It’s important to prioritize our well-being and embrace the support of loved ones.“
Warum ist das wichtig?
Mal ist nicht die erste Athletin, die sich in diesem Jahr aus dem Wettbewerb zurückgezogen hat. Haley Adams, eine weitere Top-Athletin, zog sich vor einigen Wochen zurück, weil sie sich um ihre geistige Gesundheit sorgte. Diese Rückzüge werfen ein Schlaglicht auf ein weit verbreitetes Phänomen: Die Priorisierung von Erfolg und Spitzenleistung kann unsere geistige und körperliche Gesundheit aufs Spiel setzen.
Was sagt die Wissenschaft dazu?
Stress und Erschöpfung sind nicht nur subjektive Gefühle; sie haben eine biologische Grundlage. Das menschliche Nervensystem besteht aus zwei Teilen: dem sympathischen Nervensystem, das uns hilft, auf Stress zu reagieren (die berühmte „Kampf oder Flucht“-Reaktion), und dem parasympathischen Nervensystem, das uns hilft, uns zu erholen und zu regenerieren.
Wenn wir ständig gestresst sind, wie es oft in Hochleistungsumgebungen der Fall ist, wird unser sympathisches Nervensystem überaktiviert. Dies führt zu einer Vielzahl von physischen und psychischen Symptomen, einschließlich Müdigkeit, Reizbarkeit, Schlafproblemen und sogar einem geschwächten Immunsystem.
Studien zeigen, dass langanhaltender Stress das Risiko für viele Gesundheitsprobleme erhöht, darunter Herzerkrankungen, Diabetes, Depressionen und Angstzustände. Eine Studie, die im American Journal of Epidemiology veröffentlicht wurde, fand sogar heraus, dass Menschen, die hohe Stresslevel berichteten, ein 43% höheres Risiko hatten, frühzeitig zu sterben.
Es ist auch wichtig zu bemerken, dass unser Gehirn unter Stress nicht so effizient funktioniert. Forschungen zeigen, dass chronischer Stress die kognitive Funktion beeinträchtigen kann, einschließlich unserer Fähigkeit zu lernen, uns zu erinnern und Entscheidungen zu treffen. Eine Studie im Journal of Neuroscience fand heraus, dass Stress die Verbindungen zwischen Neuronen im präfrontalen Kortex (dem Teil des Gehirns, der für komplexe kognitive Aufgaben und Entscheidungsfindung verantwortlich ist) reduzieren kann, was unsere mentale Leistungsfähigkeit beeinträchtigt.
Das bedeutet, dass, während wir vielleicht glauben, dass wir „mehr erreichen“, wenn wir ständig unter Stress stehen und ohne Pausen arbeiten, wir tatsächlich unsere Gesundheit und unsere Leistungsfähigkeit beeinträchtigen können.
Daher ist es entscheidend, dass wir uns die Zeit nehmen, um uns zu erholen und unser parasympathisches Nervensystem zu aktivieren. Dazu gehören Aktivitäten wie Schlafen, Entspannen, sich bewegen, sich gesund ernähren und soziale Kontakte pflegen. Wenn wir dies tun, können wir nicht nur unser Wohlbefinden verbessern, sondern auch unsere Leistungsfähigkeit auf lange Sicht steigern.
Wann ist es Zeit, einen Schritt zurückzutreten?
Jeder von uns hat seine eigenen Grenzen, und es ist wichtig, diese zu erkennen und zu respektieren. Einige Anzeichen, dass Sie möglicherweise eine Pause benötigen, sind:
- Ständige Müdigkeit oder Erschöpfung
- Anhaltende negative Gefühle oder Stimmungen
- Verlust der Motivation oder des Interesses an Aktivitäten, die Sie normalerweise genießen
- Schwierigkeiten beim Schlafen oder Essen
Es ist nicht immer einfach, diese Zeichen zu erkennen, aber es ist von entscheidender Bedeutung. Wie der berühmte Schriftsteller und Philosoph Friedrich Nietzsche einmal sagte:
„Wer sein Warum zum Leben hat, der kann fast jedes Wie ertragen.“
Wie können wir lernen, einen Schritt zurückzutreten?
Einen Schritt zurückzutreten bedeutet nicht, unsere Ambitionen oder Ziele aufzugeben. Es bedeutet, Raum für Erholung und Regeneration zu schaffen, um langfristig produktiver und erfolgreicher zu sein. Hier sind einige Schritte, die wir unternehmen können, um besser zu lernen, wann und wie wir einen Schritt zurücktreten sollten:
- Achtsamkeit praktizieren: Achtsamkeit bedeutet, präsent und bewusst in jedem Moment zu sein, anstatt uns von unseren Gedanken und Sorgen mitreißen zu lassen. Durch die Praxis der Achtsamkeit können wir besser auf die Signale unseres Körpers hören und erkennen, wann wir uns überfordert oder gestresst fühlen. Techniken wie Meditation, Yoga oder einfache Atemübungen können dabei helfen, Achtsamkeit zu kultivieren.
- Gesundheitsbewusst leben: Regelmäßige körperliche Bewegung, ausgewogene Ernährung und ausreichend Schlaf sind entscheidend, um unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden zu erhalten. Studien haben gezeigt, dass diese Faktoren uns nicht nur körperlich, sondern auch geistig fit halten und uns helfen, Stress besser zu bewältigen.
- Grenzen setzen: In einer Welt, in der wir ständig „online“ und erreichbar sind, ist es wichtig, Grenzen zu setzen. Das kann bedeuten, bestimmte Zeiten am Tag für Erholung und Entspannung einzuplanen oder Technologienutzung einzuschränken, um Burnout zu vermeiden.
- Hilfe suchen: Manchmal brauchen wir die Perspektive und das Fachwissen eines anderen, um uns zu helfen, unsere Gewohnheiten und Einstellungen zu überdenken. Ein Coach oder Therapeut kann eine wertvolle Ressource sein, um uns dabei zu helfen, gesündere Arbeitsgewohnheiten zu entwickeln und einen ausgewogeneren Lebensstil zu führen.
Indem wir diese Strategien anwenden, können wir lernen, besser auf uns selbst zu achten und einen gesunden Ausgleich zwischen Arbeit und Erholung zu finden. Es ist kein Zeichen von Schwäche, einen Schritt zurückzutreten, sondern ein wichtiger Aspekt der Selbstfürsorge und letztlich ein Schlüssel zu nachhaltigem Erfolg und Wohlbefinden.
Schlussfolgerung
Wie Mal O’Brien und Haley Adams gezeigt haben, ist es manchmal das Klügste und Stärkste, einen Schritt zurückzutreten und sich selbst an die erste Stelle zu setzen. Das ist keine Schwäche, sondern eine Stärke. Und manchmal kann das Zurücknehmen das Rennen gewinnen – das Rennen um Ihr Wohlbefinden und Ihre Gesundheit.
BEISPIEL: Die Geschichte von Markus
Markus verkörperte das Bild des modernen, erfolgreichen Unternehmers par excellence. Mit gerade einmal 45 Lenzen bekleidete er die Position des Geschäftsführers eines vielversprechenden IT-Unternehmens in der bayrischen Metropole München, ein Vorzeigebeispiel für Fortschritt und Erfolg. In strenger Regie und mit unermüdlicher Beharrlichkeit leitete Markus seine Firma, stets den nächsten großen Durchbruch vor Augen.
Doch abseits des strahlenden Scheinwerferlichts begann der Stress und der Druck seines verschärften Lebensstils Markus zuzusetzen. Ständig leidend unter Kopfschmerzen, von einem unruhigen und wenig erholsamen Schlaf heimgesucht, bemerkte er, wie eine beständige Müdigkeit über ihn kam, ungeachtet der Menge an Kaffee, die er konsumierte. Doch er schenkte diesen Warnzeichen keine Beachtung und setzte seine Arbeit unverändert fort, in dem festen Glauben, er müsse einfach nur „durchhalten„.
An einem Tag, während einer bedeutenden Vorstandssitzung, verlor Markus das Gleichgewicht. Die Stimmen seiner Kollegen verwandelten sich in ein wirres Klanggewirr. Sein Herzschlag beschleunigte sich, dann überraschte ihn die Dunkelheit. Als er wieder erwachte, befand er sich in einem Krankenhausbett, Diagnose: schweres Erschöpfungssyndrom. Die Mediziner drängten ihn, eine Auszeit zu nehmen, sich seiner Gesundheit zuzuwenden.
In diesem Augenblick wurde Markus schmerzlich bewusst, dass er seine Gesundheit und sein Wohlergehen fahrlässig aufs Spiel gesetzt hatte. Er hatte die Warnungen seines Körpers ignoriert und war zu spät aufgewacht. Hätte er früher reagiert, hätte er diesen Rückschlag vermeiden können.
In der Folge suchte Markus Unterstützung. Er nahm die Dienste eines Performance-Coaches in Anspruch, der ihm half, gesündere Arbeitsgewohnheiten zu entwickeln und einen nachhaltigeren Lebensstil zu pflegen. Dieser Schritt fiel ihm nicht leicht, doch er erkannte, dass er seine berufliche Laufbahn nicht auf Kosten seiner Gesundheit fortsetzen konnte.
Diese Erzählung unterstreicht, wie wichtig es ist, auf die Signale unseres Körpers zu achten und proaktiv zu handeln, bevor es zu spät ist. Selbst in Zeiten von Erfolg und Produktivität sollten wir nie vergessen, dass unser Wohlbefinden an erster Stelle steht. Es ist kein Zeichen von Schwäche, Hilfe in Anspruch zu nehmen; vielmehr handelt es sich um eine Demonstration von Stärke und Selbstvertrauen. Und wie Markus schließlich erkannte, kann eine solche Entscheidung letztendlich zu einer noch höheren Leistungsfähigkeit führen.
Über den Autor : Tim Metzner
Tim, seit 2004 Personal Trainer und Performance Coach, verbindet Kreativität und Wissbegierde in seiner Arbeit. Sein Hauptziel ist es, dass Du Dich nach jeder Trainingseinheit besser fühlst als zuvor. Tauche ein in ein individuell abgestimmtes Coaching, das Dich sowohl körperlich als auch mental stärkt. Lasse Dich sich von Tims Passion inspirieren.